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  Geschichte der isländischen Pferdenamen
 
1.Einleitung

Die Geschichte der isländischen Pferdenamen beginnt mit der EDDA des Snorri Sturluson (1178 - 1241) und mit den Gedichten, die er heranzieht und die tief in der nordischen Heidenzeit wurzeln. In der ,,Gylfaginning wird die wunderbare Welt beschrieben, die 0din zu Beginn aller Zeiten mit Hilfe seiner Brüder schuf. Man ist geteilter Meinung darüber, welche Leistung höher zu bewerten ist, die Erschaffung einer neuen Welt aus dem Leib Ýmirs, des alten Reifriesen, oder aber die geniale Beschreibung dieser Tat durch Snorri Sturluson. In diesem Hauptwerk der isländischen Kultur, dem in Skandinavien nichts und in der Weltliteratur kaum etwas Vergleichbares zur Seite steht, bemüht sich der Dichter um eine genaue Beschreibung des Pferdes, das Odins Eigen wird, lange bevor man beginnt, die Zeit zu zählen; das Pferd war ein Schimmel, hatte acht Beine und trug den Namen Sleipnir. Es war von sehr eigenartiger Herkunft: Loki, ein Ziehbruder Odins, später aber dessen und auch der anderen Götter ärgster Feind, war Sleipnirs Mutter. Der Vater war das Arbeitspferd des Riesen, der es übernommen hatte, für 0din und dessen Kumpane eine gewaltige Befestigungsanlage um Ásgarður herum zu errichten. Obwohl über das Geschlecht des Pferdes immer Unklarheit bestand, stellte 0din alsbald fest, daß er in Sleipnir nun ein zuverlässiges Pferd besaß. Es wird auch nirgends davon berichtet, daß er bis zum Weltenende je ein anderes Pferd geritten hätte. Im Bericht über die Träume Baldurs wird besonders erwähnt, daß 0din Sleipnir einmal bis in die Unterwelt ritt, und das war selbst für einen achtbeinigen Gæðingur eine gewaltige Wegstrecke.

Ein gewöhnlicher Reiter hätte dem Pferd einen seiner Farbe entsprechenden Namen wie z.B. Gráni gegeben oder hätte es in Anlehnung an dessen Körperbeschaffenheit Fjölfætlingur - den Vielfüßigen - oder Áttfætlingur - den Achtbeinigen - genannt. 0din hingegen dachte ausschließlich an die Reiteigenschaften seines Pferdes, als er es Sleipnir nannte und ihm damit einen der großartigsten Pferdenamen gab, den es unter Göttern und Menschen gibt. Das Wort wird vom Adjektiv sleipur abgeleitet, was glatt, geschmeidig und geschickt bedeutet und sowohl für seelische als auch körperliche Eigenschaften verwendet wird. Sleipnir hatte geschmeidige, gelenkige, kraftvolle Bewegungen; nicht weniger bedeutsam waren seine Klugheit und Schläue, die es ihm ermöglichten, jede Täuschung zu erkennen. Aus ähnlichem Grunde nannte König Aðils sein Pferd Slungnir, denn jener Gæðingur war ungewöhnlich listig und gerissen. An anderer Stelle in ,,Gylfaginning erwähnt Snorri, was in Vafþrúðmsmál über Pferde im Zusammenhang mit der Einteilung in Tag und Nacht zu lesen ist. Obwohl 0din über ein gewaltiges Wissen verfügte, wußte er wenig über jene Hauptkräfte, die nach Ansicht heutiger Gelehrter den Gang der Himmelskörper bestimmt. Nach einer genauen Beschreibung der Herkunft der Nacht (Nótt) und ihres Sohnes, des Tages (Dagur), schildert Snorri ihren Lauf in folgender Weise:

Da nahm der Allvater (0din) Nótt und ihren Sohn Dagur, gab ihnen zwei Pferde und zwei Wagen, beförderte sie an den Himmel und machte es ihnen zur Aufgabe, jeweils an zweimal 12 Stunden die Erde zu umrunden: Nótt mit Hrímfaxi, der jeden Morgen mit seinem Schaum die Erde betaut, und Dagur mit Skinfaxi, von dessen leuchtender Mähne Luft und Erde erhellt werden.

Hier erhalten Pferde ihre Namen entsprechend der Beschaffenheit ihrer Mähne. In Skáldskaparmál gibt uns Snorri folgendes Bild von den Himmelspferden: ,Hrímfaxi oder Fjörsvartnir ziehen

Nótt (die Nacht). Skinfaxi oder Glaður gehören zu Dagur( dem Tag).

Snorri liebte die Dichtung, und daher erwähnt er in der Gylfaginning einige Male die Grímnismál, die 0din verfaßte, als er einmal acht Nächte lang inkognito bei den Menschen weilte und zwischen zwei Feuern gefoltert wurde, um ihn zum Reden zu bringen. In dem Gedicht erwähnt 0din zwei Pferde, die Außerordentliches leisten und dennoch sehr wenig Futter benötigen:

Árvakur und Alsvinnur
sollen von hier hinauf
hungrig die Sonne ziehen.

Derartigen Pferden werden Namen gegeben, die ihren Eigenschaften entsprechen, denn es ist wichtig, daß sie früh auf sind und über gewaltige Kräfte verfügen. In einer früheren Strophe der Grímnismál zeichnet 0din ein lebendiges Bild vom Reiten der Arsen, die sich täglich am Gerichtsplatz bei der Esche Yggdrasil einfinden. Allein Thor ist so leutselig, daß er den Weg wie ein einfacher Wanderer zu Fuß zurücklegt. Er muß unterwegs daher auch Flüsse durchwaten. Die Gæðingar der Arsen tragen bedeutende Namen:

Glaður und Gyllir,
Glær und Skeiðbrímir,
Silfrintoppur und Sinir,
Gísl und Falhófnir,
Gulltoppur und Léttfeti.

Unter diesen Namen sind zwei, die nicht nur auf die Färbung, sondern auch auf die Gänge der Pferde hinweisen: Skeiðbrímir und Léttfeti. 0din unterläßt es hier, sein eigenes Pferd, Sleipnir selbst, zu erwähnen. Den aber fügt Snorri in der Edda ein.
Nun muß auch erwähnt werden, daß Snorri es nicht dabei bewenden ließ, in Bezug auf Pferde lediglich die Dichtungen Vafþrúðnirs und Odins zu erwähnen. Er zog noch zwei weitere Pferdegedichte hinzu, die Þorgrímsþula und die Kálfsvísa, die vermutlich im 12. Jahrhundert verfaßt wurden. In ihnen werden außer den Pferden der heidnischen Götter auch die Gæðingar der alten Helden erwähnt. Eigenartigerweise sind die Taten dieser Kämpen längst vergessen; einzig die Namen ihrer Pferde sind uns erhalten geblieben. Die Helden sind unterwegs zum Kampf, bei dem sich ihr Schicksal entscheidet. Dorthin reiten auch die Walküren auf ihren Gæðingar in fliegendem Pass; ihre Aufgabe ist es, diejenigen Helden auszuwählen, welche 0din zu einem großen Fest in Walhalla geladen hat. Trollfrauen wiederum reiten Wölfe, und als Zügel dienen ihnen Giftschlangen. Eine Strophe aus der Kálfsvísa:

Dagur ritt Drösull
Dvalinn den Móðnir
Hjálmur Háfei
Haki Fákur
Der Beljatöter ritt Blóðughófur
und Skati Haddingja Skævaði.

Hier wird kurz Freyr erwähnt, der den Riesen Belja getötet hatte und das Pferd Blóðughófa ritt. Über die anderen Reiter wissen wir hingegen wenig. Von diesen und weiteren Pferdenamen der Þorgrímsþula wird noch zu sprechen sein. Zunächst ein paar Worte über 0din, den berühmtesten Reiter von Ásgarður und Skandinavien.
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2. Vom Reiten in heidnischer Zeit

Im Abschnitt über den Stutennamen Fluga wird über das erste Wettrennen Islands berichtet, hier aber soll auch Snorris Erzählung über den Wettkampf zwischen 0din und Hrungnir erwähnt werden:

0din ritt Sleipnir nach Jötunheimar und traf dort den Riesen Hrungnir. Der fragt, wer jener sein, der einen Goldhelm trüge, durch die Luft und übers Meer reitet und ein erstaunliches Pferd besäße. 0din wettet seinen Kopf, daß es im ganzen Jötunheimar kein vergleichbares Pferd gäbe. Hrungnir gibt zu, daß Sleipnir ein gutes Pferd sei, er hätte jedoch ein noch viel besseres, ,,das heißt Gullfaxi. Er springt auf sein Pferd und jagt 0din nach, um diesen für seine Prahlerei zu bestrafen. 0din reitet so schnell, daß er das Ziel erreicht, als Hrungnir erst die halbe Strecke zurückgelegt hat. Dieser hatte sich bei dem Rennen völlig vergessen und befand sich auf einmal vor dem Burgwall von Ásgarður. Am Schloßtor luden die Arsen ihn zum Umtrunk ein. Sleipnir war ohne Zweifel ein schnellerer Renner als Gullfaxi. Dies Ereignis führt dazu, daß Thor und Hrungnir einen Zweikampf austragen, bei dem Hrungnir sowohl sein Leben als auch Gullfaxi verliert.

Belesenen Reitern sind noch zwei weitere Ereignisse aus dem Leben Odins bekannt:

Einer seiner Nachkommen, Siegfried, der Drachentöter, macht sich eines Tages auf, um ein gutes Pferd zu finden. In allen Heldensagen gilt es als besonderes Ereignis, wenn einer sein erstes Pferd auswählt. Oft fügt das Schicksal auch es, daß dieses Pferd ihm bis ans Lebensende gehört. Großen Helden war selten ein langes Leben beschieden, ihre Gæðingar erfreuen sich hingegen hohen Alters. Letzte Erwähnung findet Siegfrieds Pferd, als es mit hängendemKopf bei seinem ermordeten Besitzer steht.

In der Völsungar-Saga wird davon berichtet, wie 0din eingreift, als Siegfried sich sein Pferd auswählt:

Am zweiten Tage ging Siegfried in den Wald und trifft dort einen alten, langbärtigen Mann, der ihm unbekannt ist. Jener fragt Siegfried, was er vorhabe.
Siegfried antwortet: ,,Ich will mir ein Pferd auswählen. Gib mir dabei Rat.
0din: ,,Laß uns die Herde an den Fluß treiben, der Busiltjörn heißt.
Sie treiben die Pferde in den Fluß, und alle außer einem gehen am anderen Ufern ans Land. Das Pferd wählte Siegfried. Es war ein junger Schimmel, ein großes, kräftiges Pferd. Niemand hatte es bisher geritten. Der Bärtige sprach:
Dieses Pferd stammt von Sleipnir ab, und du sollst es sorgfältig pflegen, denn es wird ein besseres Pferd werden als jedes andere. Damit verschwand der Mann.
Siegfried nannte das Pferd Grani, und es erwies sich als allen anderen überlegen.
Der Bärtige war kein anderer als 0din selber.
Man nimmt an, daß Grani beim Schwimmen tiefer im Wasser lag als andere Pferde. Siegfried gab ihm diesen Namen, da er nur die Nüstern sah (grön = Nüster, plural granir), als er den Fluß Busiltjörn durchschwamm.

0din erschien den Sterblichen nach Ansicht bekannter, norwegischer Gelehrter zum letzten Male im frühen 13. Jahrhundert. Er befand sich damals auf dem Wege zu einem Kampf, wie das für ihn so typisch war. Zu dieser Zeit schickte er nicht mehr wie früher Walküren für sich in die Schlacht. Wir zitieren aus den Böglunga-Sagas:

Bei Nesjar wohnte ein Schmied. Nach dem Julfest im Winter vor dem Versöhnungssommer kam eines Abends ein Reiter zu ihm, bat ihn, übernachten zu dürfen und sein Pferd zu beschlagen. Das wurde gewährt. Sie standen früh am Morgen auf, und der Schmied machte sich an die Arbeit.
Der Schmied fragte: ,,Wo hast Du die letzte Nacht verbracht?
,,Im Meðaldalur antwortete der Gast. Das war im Norden der Telemark.
Der Schmied: ,,Du bist ein toller Lügner, denn das ist gänzlich unmöglich.
Nun arbeitete er weiter, sein Werk wollte ihm jedoch nicht recht gelingen.
Der Schmied: ,,So schlecht habe ich noch nie gearbeitet.
Nun sagte der Gast: ,,Schmiede so, wie es sich von selbst ergibt. Es wurden die größten Hufeisen, die der Schmied je hergestellt hatte. Als sie angepaßt wurden, entsprachen sie genau der Größe der Hufe. Nun wurde beschlagen.
Der Gast sprach: ,,Du hast nicht viel erfahren und bist unwissend. Weshalb stellst Du keine Fragen?
Der Schmied: ,,Welcher Herkunft bist du, woher kommst du und wohin beabsichtigst du zu reiten?
Der Gast: ,,Ich komme aus dem Nordland und bin nun schon seit längerer Zeit in Norwegen. Nun will ich nach Osten ins Reich der Schweden reiten. Lang bin ich auf Schiffen gewesen, muß mich nun eine Zeitlang an dies Pferd gewöhnen.
Da fragte der Schmied: ,,Wo willst du heute abend sein?
,,In der Sparmörk war die Antwort.
,,Das ist nicht wahr, sagte der Schmied, ,,denn für die Wegstrecke würdest du mindestens sieben Tage benötigen.
Der Gast bestieg sein Pferd.
Der Schmied fragte: ,,Wer bist du?
Der Gast fragte zurück: ,,Hast du je von 0din gehört?
,,Von ihm habe ich sagen hören.
,,Hier siehst du ihn vor dir", sagte der Gast, ,,wenn du mir jedoch nicht glauben willst, dann sieh zu, wie ich mit meinem Pferd über die Umzäunung springe".
Das Pferd zögerte. Da gab der Reiter ihm die Sporen, das Pferd galoppierte an den Zaun heran und sprang hinüber, ohne ihn zu berühren. Der Zaunpfahl war sieben Ellen hoch. Der Schmied sah seinen Gast nie wieder.
Vier Nächte lang kämpften dann König Sörkvir und König Eiríkur miteinander bei Leinir. Dies alles berichtete\r\nder Schmied dem Grafen Philipp noch im gleichen Winter in Tønsberg. Der wiederum erzählte uns davon. Der Hof heißt Píslar, und der Schmied nannte sich Þróður vettir. Wenn auch der Name des Pferdes nicht erwähnt wird, nimmt man an, daß es sich um Sleipnir gehandelt hat.
 
 



3. Namengebung

Seit jeher haben sich Reiter darum bemüht, ihren Pferden Namen zu verleihen, die am besten zu ihnen passen. Manche Namen ergeben sich naus der Farbe, andere aus dem Gebäude oder sonstigen auffallenden Besonderheiten, die sich nicht verändern, selbst wenn das Feuer in späteren Jahren oder im hohen Alter nachläßt. Manche Namen bezeichnen Geschmeidigkeit und Schnelligkeit, andere beziehen sich auf den Charakter und das Wesen des Pferdes. Um solche Namen geben zu können, muß man das Pferd genauer kennengelernt haben. Beim Zureiten kommen diese Eigenschaften ans Licht. Da die Geschichte der isländischen Pferdenamen so gut überliefert ist, und weil manche der ältesten noch heute verwendet werden, wird es unsere Neugierde befriedigen, wenn wir uns an der EDDA orientieren, in der neben den schon erwähnten noch weitere Namen vorkommen: Hrafn, Valur, Tjaldari, Gulltoppur, Goti, Sóti, Mór, Stúfur, Skævaður, Blakkur, Vakur, Körtur, Glaumur, Slöngvir, Hölkvir, Garðrofa, Hófvarpnir, Hamskerpir. Alle diese Namen und Pferdenamen allgemein kann man in zwei Hauptkategorien einteilen: Namen, die sich von Eigenschaften herleiten lassen oder aber fremdartig sind. Die erste Gruppe enthält ursprüngliche Namen, welche bestimmte Eigenarten bezeichnen, die zweite Gruppe aber Namen, die von anderen Lebewesen oder Erscheinungen entlehnt sind. Natürlich soll mit dieser Einteilung kein Urteil über die Eignung der Namen gefällt werden. Es geht hier in erster Linie darum, einiges über Unterschiede bezüglich der Herkunft auszusagen.
Viele der speziellen Pferdenamen wurden früher und werden heute noch von Reitern erfunden. Manche sind dabei geschickter als andere. Nun gibt es bei derartigen Namengebungen eine Hauptregel, die als selbstverständlich und natürlich angesehen wird: Stutennamen sind weiblich, Namen von Hengsten und Wallachen sind männlich. In diesem Punkt sind Reiter und Grammatikspezialisten gänzlich einer Meinung. Tatsächlich sind viele Pferdenamen unterschiedlichen Geschlechts aus einem und demselben Wort abgeleitet. Einige Beispiele: Aus dem sächlichen Wort fax wird der maskuline Name Faxi und das feminine Faxa. Ähnlich verhält es sich bei Moldi (m.) und Molda (f.), beide Namen stammen von mold, einem Neutrum, ab. Eine Stute, die ,,kápótt\" ist (kápa = Mantel, Decke), trägt einen Mantel, d.h. sie ist ein Schecke und hat einen großen, dunklen Farbfleck auf dem Rücken. Die Stute wird selbstverständlich Kápa genannt. Für einen Hengst oder Wallach ,,mit Mantel" mußte nun ein entsprechender, neuer Name gefunden werden. So entstand Kápur, was sehr gefällt. Da das Wort nös feminin ist, findet man es selbstverständlich, daß eine Stute mit Schnippe Nös genannt wird. Für einen Hengst mußte wiederum eine maskuline Form gefunden werden: Nasi. Hier handelt es sich um einen uralten Brauch, der bis heute bewahrt worden ist. Daher entstanden unzählige zusammengehörige Namen und Namensergänzungen: Apla:Apli, Assa:Assi, Krumma:Krummi, Gusta:Gustur, Hausta:Hausti, Stjarna:Stjarni. - ála:áli, -móð:móður, - kolla:kollur, - toppa:toppur usw. Diese Aufzählung könnte noch sehr lange weitergeführt werden.
Viele Pferdenamen waren ursprünglich Adjektive, die natürlich wie andere Substantive dekliniert werden, wie z.B. die Farbnamen: Hvít:Hvítur, Brún:Brúnn, Bleik:Bleikur, Jörp:Jarpur, Rauð:Rauður, Svört:Svartur. Oft werden die Namen auch mit Nachsilbe gebildet: Brúnka, Brúnki, Rauðka, Grása. Außer Farbwörtern sind auch verschiedene andere Adjektive in Gebrauch, wie z.B. die folgenden Stutennamen: Hugrökk (die Mutige), Fóthvöt (die Fußschnelle), Fótviss (die ,Trittsichere), Framgjörn (die Vorwärtsstrebende), Litfríð (die Schönfarbige), Rásfim (die in der Spur bleibende).
 
 

4. Fremdartige Namen

Typisch für viele Namen ist ihre Mehrdeutigkeit. Das Wort Askur z.B. bedeutet nicht nur Esche, sondern kann auch Mann, Hof, Schiff und Waffe bedeuten. Die ursprüngliche Bedeutung ist Esche. Wenn man Pferdenamen in die Gruppen eigentliche und fremdartige Namen einteilt, muß die Vieldeutigkeit mancher Namen bedacht werden. Bei den Namen, die Snorri Sturluson aufzählt, finden sich drei fremdartige: Goti, das Pferd Gunnars Gjúkasons (= Gunther der Nibelungensage), was ursprünglich ,Mann von Gotland' bedeutete. Die Pferde Hrafn (Rabe) und Valur (Falke) tragen Vogelnamen, die sicherlich in Verbindung mit ihren Farben (Schwarz und Grau) gewählt wurden. Snorri spricht von falkengrauen Pferden (valgrá hross), und der Name ist noch heute gebräuchlich. Fremdartige Pferdenamen sind heutzutage viel häufiger als früher. Außer den schon erwähnten Vogelnamen werden noch viele andere verwendet. Manche geben Hinweis auf die Farbe des Pferdes wie z.B. die Bezeichnungen für Adler: Assa, Erna, Lobba, Lodda, Ari, Öglir, Gelmir, Örn, die für Dunkelschimmel in Gebrauch sind. Von Raben und Krähen kommen Namen wie Hrefna, Hrafn, Kráka, Krákur, Korpa, Korpur, Blængur, Krumma, Krummi, Skjór für Rappen. Schimmel erhalten Vogelnamen wie Álft (Schwan), Álftarleggur (Schwanenfuß), Mávur, Már (Möwe), Svanur, Svana (Schwan).
Andere Vogelnamen wie Sendlingur oder Fjölmóður (Meerstrandläufer) deuten rasche Bewegungen und Spritzigkeit an oder spezifische Eigenschaften, deren Aufzählung den Rahmen sprengen würde. Weitere Stutennamen aus dem Reich der Vögel sind: Dúfa, Erla, Gæs, Igða, Kofa, Lóa, Rita, Rjúpa, Skegla, Svala, Tildra, Trana, Ugla, Vepja, Þeista, Þerna, Æður, Önd. Hengste und Wallache mit Vogelnamen folgen hier, doch ließe sich die Liste reichlich verlängern: Gammur, Gaukur, Haukur, Helsingi, Kjói, Lundi, Orri, Skarfur, Skári, Smyrill, Spói, Stari, Steggur, Storkur, Tildri, Tjaldur, Þröstur.

Isländische Säugetiere, nach denen Pferde benannt werden, sind der Fuchs (mit den Beinamen Fóa, Lágfóta, Tæfa, Tæsa, Refur, Skolli usw.), der Seehund (Kæpa, Brimill, Urta, Kópur, Kobbi), Mäuse (Mús, Músa, Múska und Mýsla sind Namen für mausgraue Stuten), Katzen (Læða, Kisi, Kettlingur) und Wale (Hnísa, Reyður - letzterer auch als Fischnamen -, Vagna, Vögn, Hrefna - letzterer auch als Vogelname -, Hnúður, Höfrungur, Stökull). Zahlreicher sind die Namen ausländischer Säugetiere, die zur Namengebung isländischer Pferde herangezogen werden; sie werden an dieser Stelle nur als Auswahl dargestellt: Gemsa (Gemse), Hind (Hirschkuh), Hjörtur (Hirsch), Hlébarður (Leopard), Púma (Puma), Gaupa (Luchs), Vísla (Wiesel), Elgur (Elch). Zwei Tiernamen sind reich an Synonymen und poetischen Umschreibungen: der Wolf (wie z.B. Gera, Vargynja, Ylfa, Ylgur, Freki, Gen, Heiðingi), doch hauptsächlich der Bär (Bera, Birna, Balti, Bessi, Veturliði und viele andere Bezeichnungen). Auch einige Fischnamen dienen als Pferdenamen wie Brosma, Flúra, Flyðra, Gedda, Lúða, Lýsa, Merja, Murta, Reyður, Skata, Spraka, Ýsa, Hængur und Láki.

Viele Pferdenamen stammen aus dem Reich der Pflanzen, wie Baldursbrá, Björk, Eik, Elfting, Fífa, Fjóla, Fura, Gleimmérei, Hvönn, Hvannar, Maðra, Sóley, Þella, Ösp; Almur, Askur, Finnungur, Hlynur, Laukur, Reynir, Reyr, Þöngull. Weitere Namen sind der Landschaft oder der isländischen Natur entlehnt: Gnípa, Gnúpur, Hekla, Hnjúkur, Hyrna, Jökull, Keila, Þúfa, Hrafntinna. Ferner beziehen sich viele Pferdenamen auf Hof- oder Gemarkungsnamen; in diesen Fällen fallen Erklärungen und Übersetzungen ohne sichere Informationen über den Hintergrund der Namengebung und die damit verbundenen Umstände außerordentlich schwer.

Einige Stutennamen sind von den Bezeichnungen der Wellen hergeleitet wie Agga, Alda, Dröfn, Dúfa, Fylla, Gefla, Gjálp, Gjúga, Hefring, Kólg, Kvika, Öfga. Hengst- und Wallachnamen, die mit dem Meer in Verbindung gebracht werden, sind seltener, doch können hier Boði, Breki, Brimnir, Gári und Hratti genannt werden. Und es gibt keinen Mangel an Pferdenamen, die an Regen, Wind oder jede andere erdenkliche Wetterlage erinnern: Demba, Drífa, Dögg, Gjóla, Gjóna, Gjósta, Gola, Gusta, Héla, Hláka, Kula, Kylja, Leysing, Mjöll, Nepja, Slemba, Slydda, Snugga, Úrsvöl, Vindsvöl, Vorbliða, Píða (Stuten). Hengst- und Wallachnamen dieser Art sind seltener, doch sollten die nachfolgenden nicht unterschlagen werden: Blær, Garri, Gnýr, Gustur, Kaldi, Kali, Kári, Stormur, Vindur, Þeyr.

Hunderte Pferdenamen sind der menschlichen Umwelt entnommen; sie können in einige Untergruppen eingeteilt werden. An erster Stelle handelt es sich um Frauen- oder Männernamen; die meisten davon werden hier ausgelassen. Erwähnt werden alte und seltene Namen, insbesondere dann, wenn besondere Gründe vorliegen, sie als Pferdenamen zu verwenden. Zweitens sind es Verwandtschaftsbegriffe der mütterlichen Linie (wie die Stutennamen: Amma, Dóttla, Edda, Eiða, Systir, Lifra, Öða; und die Hengst- und Wallachnamen: Ái, Barmi, Blóði, Bróðir, Hlýri, Lifri); Begriffe aus dem Verhältnis der Geschlechter (Ekkja, Elja, Víf, Unnusta, Sværa, Snör), Begriffe der sozialen Schicht und Stellung (Abbadís, Ambátt, Dama, Deigja, Dróttning, Greifi, Barón, Höldur, Jarl, Kóngur, Páfi, Riddari, Djákn, Sóldan, Hátign, Kafteinn, Prímadonna, Völva, Þokkadís, Öskubuska). In derartigen Pferdenamen klingt oft ein Anflug von Humor mit an. Dieser scheint auch Hintergrund für jene Stutennamen zu sein, die mit lockerer Moral oder Tändelei zu tun haben, bzw. für Hengst- und Wallachnamen, die an Unsittlichkeit oder Machoverhalten bei Männern erinnern. Generell spielt Humor bei derartiger Namengebung sicher eine viel größere Rolle, als man sich vergegenwärtigt. Hier sollen auch jene Namen, die mit Artefakten verbunden werden und als Pferdenamen dienen, kurz erwähnt werden. Einzelne Schiffsnamen schienen in diesem Zusammenhang angebracht wie Nökkvi, Knörr, Eik (letzterer Name ursprünglich Baumname ,,Eiche"), Barði und Gnoð so wie umgekehrt Pferdenamen früher oft als Schiffsnamen auftauchten, siehe haf-Sleipnir ,,Meeressleipnir", gjálfur-mar, sund-Faxi ,,Schimm-Mähne", lög-fákur, byr-hestur ,,Wellenpferd". Waffenbezeichnungen gelten in der Regel als
passend für schnelle und kraftvolle Pferde, nicht zuletzt Begriffe für Pfeile und Keile: Bílda, Fenna, Fífa, Flaug, Píla, Hremmsa, Þura.
Kurz erwähnt werden sollen ferner Bezeichnungen für Alltagsgegenstände wie Ausa, Barða, Brynja, Fiðla, Gígja, Flaska, Klukka.
Ungeheuer viele Pferdenamen sind von ideellen Begriffen hergeleitet und beschreiben menschliche Gefühle, moralische Werte und andere Faktoren unserer Gedankenwelt und Kultur. Nachfolgend eine zufällige Auswahl derartiger Stutennamen:
Ánægja, Fró, Blíða, Ástríða, Dásemd, Fegurð, Hlýja, Gæska, Sæla, Minning, Gæfa, Auðna, Hamingja, Spá, Snilld, Dáð, Djörfung, Tign, Rausn, Snerpa, Frekja, Skerpa, Hugmynd, Hugsýn, Djúpráð, Fjölráð, Góðráð, Sjálfráð, Skjótráð, Stórráð, Fláráð, Feimni, Andúð, Gremja, Synd, Lymska, Græska.

Abschließend sollen noch jene zahlreichen Namen erwähnt werden, die der Phantasie entspringen, der heidnischen Mythologie sowie den Märchen vergangener Jahrhunderte. Namen heidnischer Götter, Riesen, Zwerge, Elfen und anderer Wesen der Snorra-Edda konkurrieren mit Namen von Geistern, Trollen, Schutzgeistern und den Verborgenen der Märchen. Oðinn (0din), ist ein seit langem anerkannter Gæðingur-Name, ebenso wie Sleipnir und der Name des Riesen Hrungnir, der einst den ausgreifenden Gullfaxi besaß. Auf diese Weise bewahren isländische Gæðingar die Erinnerung an jene Genies, die einstmals in Ásgarður und Jötunheimar lebten.
 
 

5. Spezielle Namen für Pferde

Einige spezielle Pferdenamen wie Stúfur beziehen sich auf das Gebäude, doch wie oben bereits angesprochen, beziehen sich andere auf die Gänge und Fußhaltung, also die Eigenschaften. Die speziellen Namen bezeichnen oft bestimmte Körperteile der Pferde oder andere Merkmale, die die Herkunft des Namens eindeutig erklären, wie hófur, hófskegg, laski, makki, fax, rák, nös, blesa, gláma, kúfur, toppur, kollur, skeið tölt. Skeiðbrimir würde man demnach ein Pferd nennen, das sich schwer und sanft vorwärts bewegt wie eine Brandungswelle. Sinir bedeutet ,,der Sehnenstarke"; die Namen Vakur ,,Rennpasser", Léttfeti ,,Leichtfuß" und Háfeti ,,Hochfuß" (im Sinne von Aktion) erklären sich selbst. Der Name Skævaður stammt vom Verb skæva ,,ausschreiten" und deutet Dynamik an; von gleicher Bedeutung ist der Name Slöngvir. Der Ursprung der Bezeichnung Fákur ist umstritten, doch wurde er möglicherweise für ein schnelles Pferd benutzt. Tjaldari bedeutet ,,Tölter". Móðnir scheint dagegen ,,eifriges, kampfwilliges Pferd" zu bedeuten.
Kehren wir noch einmal zu den Namen zurück, die mit Farbe und Färbung einhergehen: Sóti, Blakkur, Gyllir ,,der Gold tragende" (er wird gelblich gewesen sein), Gísli ,,der Helle" (der Name ist dem Wort Geisli ,,Strahl" verwandt); Glaður und Glenur bedeuten ebenfalls ,,helles Pferd" und Mór ,,der Ockerfarbene". Bei einigen Namen verhält es sich so, daß die Farbbezeichnung nur einen kleinen Teil des Tieres beschreibt. Solche Namen wirken poetischer: Gulltoppur, Silfurtoppur, Silfrintoppur, Blóðughófur, Falhófnir ,,mit blassen Hufen". Der Name Gráni gehört ebenso hierher, wie oben bereits angedeutet; das Pferd war ein Grauer und hatte wahrscheinlich ein Milchmaul.

Heutzutage wird eine wahre Flut an Pferdenamen auf die Farbe bezogen. Die dem vorliegenden Buch beigefügten Fotos vermitteln einen gründlichen Einblick. An dieser Stelle sollen die Methoden, die Reiter heranziehen, wenn sie ihren Pferden Namen nach der Farbstellung geben, beschrieben werden. Zu den erstgenannten Namen muß nicht viel erklärt werden: Hvítur ,,Weiß", Hvít, Hvítingur, Alhvít ,,ganz weiß", Drifhvít. Seit langem hält man es auch für angebracht, die Farbe nicht direkt zu nennen, sondern anzudeuten und zu umschreiben: Bjartur ,,der Helle", Björt, Birta, Bjarmi, Ljóma, Glaður. Manchmal holt man sich die Vorbilder aus der Natur, wie folgende Umschreibungen zeigen: Svanhvít ,,Schwanenweiß" Fannhvít ,,Schneeweiß", Drífa, Fönn, Fannar, Snær, Mjöll, Snjóhvít, Mjallhvít, oder aber aus der heidnischen Mythologie: Dagur, Dellingur. Isabelle heißen demnach Ljóska ,,Blondchen" (oder ,,Helle"), Lýsingur, Leira, Leiri. Über das Gegenteil eines weißen Pferdes sollen hier nicht viele Worte verschwendet werden, doch die nachfolgenden Pferdenamen verweisen auf einige Namengruppen, die in diesem Zusammenhang benutzt worden sind: Svartur ,,Schwarzer", Svört, Svertingur, Blakkur, Blökk, Hrafntinna, Náttdís, Njóla ,,Nacht", Hrafn ,,Rabe", Hrefna, Ámur, Blængur, Kolur, Myrkva, Myrkvi, Surtur, Skuggi, Dimma.

Wie bereits erwähnt, waren Sleipnir und Grani Schimmel, eine Farbe, die immer schon als besonders edel galt. Die Namen Grána, Gráni, Grása und Gránsa ,,die/der Graue" bedürfen keiner weiteren Erklärung. Schimmel können unterschiedlich dunkel gefärbt sein; zur genaueren Beschreibung werden daher verschiedene Vorsilben verwandt: dökkgrár ,,dunkelgrau", ljósgrár ,,hellgrau", apalgrár, steingrár, músgrár, úlfgrár, valgrár. Gleiches gilt für andere Farben und Vorsilben, die Schattierungen mit außerordentlicher Genauigkeit angeben, wie die Beispiele belegen: Fífilbleikur ,,Löwenzahnfahl" (Palomino) Dökkbleikur; Rauðbleikur, Skolbleikur. Natürlich besteht kein Zweifel an der Farbe eines Pferdes, wenn es Fífill ,,Löwenzahnblüte" heißt. An dieser Stelle werden keine weiteren Farben besprochen, auch wenn es unendlich viel über Füchse, Braune, Ockerfarbene, Erdbraune und Rappen zu sagen gäbe. Die Farbbilder am Ende dieses Buches sind nicht nur hinsichtlich der Farbe und ihrer Schattierung, sondern auch hinsichtlich mehrfarbiger Pferde von Interesse, seien sie nun álótt, lindótt, föxótt, mönótt, nösótt, stjörnótt, blesótt, glámblesótt, glámótt, kjömmótt, kinnótt, skjótt, vængskjótt, kúfótt, kollótt, toppótt, hálsótt, dröfnótt, írótt, litfjörótt, vindótt, skræpótt, skrumpótt, vindskjótt, sokkótt, leistótt, skálmótt oder skóttótt gefärbt. Alle voranstehenden Bezeichnungen beschreiben eine Besonderheit im Fell, sei es ein Abzeichen, seien es Flecken in bestimmten Formen oder auffallende Färbung einzelner Körperteile; ein schier endloser Reichtum.

(aus: Hrímfaxi - Islandpferdenamen und -farben. Von der Mythologie zur Gegenwart; von Hermann Pálsson)

 
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